Dr. Alexander Samuel Süss

Update 17.5.2023: Im Februar 2023 ist eine - viele Jahre dauernde - Recherche zur zweiten Tochter von Dr. Alexander Süss, Piroska, erfolgreich. In Israel werden Nachkommen von Piroska Süss ausfindig gemacht. Die neuen Erkenntnisse und auch einige Fotos wurden in diese Erinnerungsseite für Dr. Süss aufgenommen. Weitere Fotos werden noch folgen.

Dr. Alexander Samuel Süss
, geboren am 18.3.1864, stammte ursprünglich aus Kisjenö, das damals ungarisch war. Heute liegt der Ort in Rumänien. Er studierte in Wien Medizin und wurde im Jahr 1891 Kreisarzt in Lockenhaus. Wann er das Haus in der Hauptstraße 38 (die Vorbesitzer war die Familie des Wolf Stössel) für sich und seine Familie kaufte ist nicht geklärt. Er war verheiratet mit Ernestine Biringer, die aus Köszeg stammte, und hatte zwei Töchter, Irene (geb. 1896) und Piroska (geb. 1901). Das Schicksal traf ihn hart, denn bei der Geburt von Piroska verstarb seine Gattin Ernestine. Er diente als Soldat im ersten Weltkrieg und erhielt dafür einen Verdienstorden. 1931 trat er als Medizinalrat in den Ruhestand. Im selben Jahr wird in Lockenhaus sein 40-jähriges Dienstjubiläum, auf Einladung der Marktgemeinde Lockenhaus, bei einem Festbankett im Gasthaus Bräuhaus gefeiert. Am 20. April 1938 (1) werden er und seine Tochter Irene aus Lockenhaus vertrieben.

Dr. Süss wurde am 28.7.1942 von Wien nach Theresienstadt deportiert und starb am 29.12.1942 im Konzentrationslager Theresienstadt im damals sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren, heute Tschechien. Es existiert eine Todesanzeige aus dem Lager Theresienstadt, in der eine Herzmuskelschwäche als Todesursache angegeben wird. (2)

Leben in Lockenhaus

Dr. Süss war in Lockenhaus von 1891 - 1931 der Gemeinde- und Kreisarzt. Er wurde von ZeitzeugInnen als wohltätiger und beliebter Arzt beschrieben, der mittellose Menschen sehr oft auch gratis behandelte. Über ihn gibt es einige Erzählungen und Geschichten, an die sich viele Jahr lang -und auch heute noch - einige Lockenhauserinnen und Lockenhauser erinnern. So wird und wurde er als kompetenter Arzt und vor allem als ein wohltätiger und guter Mensch beschrieben. So soll er gesagt haben: „Was soll ich von Ihnen verlangen, Sie haben ja selber nichts.“

Dass er, als Jude, auch von Personen aus Lockenhauser Bevölkerung abgelehnt wurde, ist ebenso bekannt. Auch dazu gibt es Geschichten. Ein Zeitzeuge berichtete, dass Dr. Süss, obwohl er von vielen Menschen in Lockenhaus sehr geschätzt wurde, der erste war der auf den Deportationswagen gestoßen wurde.

Die Einladungskarte zu einem Festbankett ihm zu Ehren zeigt zumindest im Jahr 1931 eine anscheinend noch gute Beziehung zwischen der Bevölkerung und seiner Familie. Nach seiner Pensionierung war er immer noch gelegentlich als Arzt tätig. Seine erste Tochter Irene, sie war unverheiratet, lebte bei ihm. Im Sommer erhielten die beiden in den Jahren vor der Vertreibung, oft Besuch von seiner zweiten Tochter Piroschka, die mit ihrer Familie in Wien lebte. Enkelin Ruth, die einzige Tochter von Piroska erinnerte sich noch im hohen Alter in ihrer neuen Heimat in Israel oft und gerne an den schönen Nussbaum der im Hof ihres Großvaters stand.

Im Jahr 1938 wurden alle jüdischen BewohnerInnen aus Lockenhaus vertrieben. Dr. Süss wollte nicht früher weggehen aus Lockenhaus, er war überzeugt, dass es nicht so schlimm werden wird. Seine Aussage „Warum sollte ich weggehen oder mich verstecken. Ich habe ja niemandem etwas getan“ ist überliefert. Seine letzten Stunden in Lockenhaus, kurz vor der „Abreise nach Wien“ (3) müssen furchtbar für ihn gewesen sein. Eine Erzählung - die allerdings nicht belegt ist- aus dieser Zeit berichtet, dass er auf Knien die Hauptstraße zum Transportlastwagen rutschen musste.

Wien

In Wien lebte Dr. Süss nach seiner Vertreibung in der Wohnung bei der Familie seiner Tochter Piroska in der Oberen Bahngasse 20/7. Vermutlich war auch Irene in dieser Wohnung vorerst untergebracht. Arthur Juran, der Schwiegersohn schreibt in einem Fragebogen für die Auswanderungsabteilung der IKG Wien, dass er mittellos sei und seine Familie nur durch die Unterstützung und der Pension seines, nach Wien übersiedelten Schwiegervaters überleben kann.

Die Flucht nach Palästina gelang nur der Tochter Piroska, gemeinsam mit ihrem Ehemann und Tochter Ruth und Arthurs Eltern, die aus Polen stammten. Dr. Süss und Irene wohnten für eine kurze Zeit im dritten Bezirk in der Barichgasse 4/13 (4) und wurden dann in einer Sammelwohnung in die Flossgasse 3/5 im 2. Bezirk untergebracht.


"In der Floßgasse 3 befand sich eine sogenannte Alterswohngemeinschaft. Ältere Jüdinnen und Juden blieben nach der Massenvertreibung und den Zwangsumsiedlungen in Wien oftmals hilflos zurück oder wurden aufgrund ihres Alters für mehrere Wochen und Monate von Transporten zurückgestellt und aus dem Sammellager entlassen. Die Israelitische Kultusgemeinde schuf für diese Personen Wohnraum in Alterswohngemeinschaften, die jedoch bald überfüllt waren. Mit der Deportation vieler älterer Jüdinnen und Juden in das Ghetto Theresienstadt ab Sommer 1942 wurden die meisten Alterswohngemeinschaften geschlossen. Die Alterswohngemeinschaft in der Floßgasse 3 diente burgenländischen Jüdinnen und Juden als Unterkunft und wurde im Juli 1942 aufgelöst".
(aus: memento.wien.at)

Am 9. Juni 1942 wurden Vater und Tochter getrennt.

Irene Süss wurde am 9. Juni 1942 deportiert und starb sechs Tage später am 15. Juni 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinec in Weißrussland. Sie war 46 Jahre alt. Dr. Alexander Süss wurde am 28. Juli 1942 deportiert und starb am 29. Dezember 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt. Er war 78 Jahre alt.

Die Nachkommen von Piroska (geborene Süss), die mit ihrer Familie über Abbazia und Fiume (Rijeka) nach Palästina fliehen konnte, sind die heute in Israel lebenden Söhne von Ruth. Dany und Amir. Ruth Vera starb im Jahr 2022. Sie hinterließ ihren Söhnen Fotos aus Lockenhaus, die Einladungskarte zum Festbankett aus dem Jahr 1931 und viele Erinnerungen an Irene/Eirine und Dr. Alexander Süss.


(1) Brief Dr. Süss, Arisierungsakten BLA

(2) Yad Vashem, holocaust.cz.

(3) Gendarmeriebericht vom 28.4.1938 zitiert auch in: Jüdisches Leben in Lockenhaus von Denise Steiger

(4) Arisierungsakten, BLA

Dr. Alexander Süss (zVg)
Unterschrift aus einen Brief von Dr. Süss. Er beschreibt darin, was er in Lockenhaus zurückgelassen hat. (BLA)


Das Auffinden der Nachkommen von Dr. Alexander Süss in Israel im Jahr 2023 ist ein besonderes Highlight in der Recherchetätigkeit von shalom.nachbar in Lockenhaus. Im Jahr 2019 hatten wir noch dieses Nichtwissen über die Familie Süss: "Dr Süss hatte nach Aussagen von Zeitzeugen neben Irene Süss auch noch eine zweite Tochter, Piroska Süss, geb. 1901. Über sie wurden bislang keine Spuren gefunden." Die Recherchen, die im Jahr 2023 die Nachkommen von Dr. Süss ausfindig machen konnten, führten über Közseg und Polen bis nach Schweden (wohin ein Cousin von Ruth geflohen war, über den auf einer Facebook Seite einer schwedischen Journalistin berichtet wurde), weiter nach Abbazia und Fiume (Rijeka) bis ins heutige Israel, wo eine Verwandte der Lockenhauser Familie Stössel eine wertvolle Unterstützung bei der Kontaktaufnahme war. Für die zur Verfügung gestellten Fotos von Irene und Dr. Alexander Süss ein Herzliches Dankeschön an Dany und Amir in Israel.